Vom Wiener Theater. 6. Karltheater

Hermann Bahr: Vom Wiener Theater. 6. Karltheater. In: Zur Kritik der Moderne. Zürich: Verlags-Magazin (J. Schabelitz) 1890, S. 96–99.

Verfasser:in Bahr, Hermann
Titel Vom Wiener Theater. 6. Karltheater
Gesamttitel Zur Kritik der Moderne
Erschienen
  • Zürich
  • Verlags-Magazin (J. Schabelitz)
  • 1890
  • Seite 96–99
Allgemein

Haase, Friedrich (1825–1911) Goßmann, Friederike (1836–1906) Ibsen, Henrik (1828–1906) Bjørnson, Bjørnstjerne (1832–1910) Halm, Friedrich (1806–1871) Nora s. Henrik Ibsen Hohenfels, Stella (1857–1920) Helmer s. Henrik Ibsen Gunz, Willy (1854–1942) Voß, Richard (1851–1918) Alexandra s. Richard Voß Swoboda, Albin (1836–1901) Treptow, Leon (1853–1916) Niemann-Raabe, Hedwig (1844- 1905) Francillon s. Alexandre Dumas fils Dumas, Alexandre fils (1824–1895)

Textanfang Wenn das Karltheater diese Gastspiele fortsetzen wollte, erwürbe es sich Verdienst um die Wiener Bühne. Darunter leidet ja diese so hart, und darin gründen ihre bedenklichsten Schäden, daß alles ernste Schauspiel zum Monopol einer einzigen Anstalt geworden ist, die es nun macht wie alle Monopolbesitzer: treibt, was ihr just gefällt, versagt sich keine Laune, verlangt, daß die Erfüllung ihrer Pflicht, wenn sie sich überhaupt einmal dazu herbeiläßt, von jedem gleich wie eine unverdiente Gnade und Herablassung gepriesen werde, haut im Vollgefühle ihres Privilegs den Konsumenten bei jeder Gelegenheit übers Ohr und verbietet sich mit hochmütigem Trotz selbst den bescheidensten Einspruch. Wenn ein Fremdentheater bestünde, wie es das Karltheater in diesen letzten Wochen war, würde unter solcher Kontrolle der auswärtigen Schauspielkunst den Künstlern des Burgtheaters wahrscheinlich jener kunstfeindliche Übermut vergehen, dem einige so unmäßig fröhnen, immer nur zu eigenem Vergnügen und eigener Unterhaltung zu spielen, wie es ihnen gerade Spaß bereitet, um einem urteilslosen Gesindel, das jeglichen Wert nur nach seinem Preise schätzt, Faxen für Liebenswürdigkeit, Geziertheit für Vornehmheit, Lärm für Kraft, Gewöhnlichkeit für Natürlichkeit vorzumachen. Die Leitung dieser Bühne würde sich vielleicht auf ihren Beruf besinnen, den sie so gewissenlos versäumt, und weil sie dann aufhörte, die einzige Verbindung der Stadt mit der dramatischen Litteratur zu sein, auch aufhören, nur immer nach der Eingebung des Augenblicks und den Vorschlägen des Zufalls, ohne sichere Wahl und ohne gefestete Absicht, die Erneuerung des Repertoires zu bestimmen. Doch sind das müßige Ge|danken: die nächste Woche bereits will das Karltheater wieder zur überlieferten Operettenschande heimkehren und was einige Tage Kunststätte war, wird wieder Freudenhaus sein.
Zusammenfassung Bahr sieht in den Gastspielen im Karltheater eine Frischzellenkur für das Wiener Theaterleben, vor allem für das Burgtheater. Die Rezensionen verschiedener im Karltheater gespielter Stücke fallen jedoch durchaus durchwachsen aus.
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Alternative Drucke hr: Carltheater. In: Deutsche Wochenschrift, Jg. 6 (1888) Nr. 15, S. 2–3.
Schlagwörter Buch, Section, Buchtext