Vom Wiener Theater. 5. Friedrich Haase

Hermann Bahr: Vom Wiener Theater. 5. Friedrich Haase. In: Zur Kritik der Moderne. Zürich: Verlags-Magazin (J. Schabelitz) 1890, S. 93–96.

Verfasser:in Bahr, Hermann
Titel Vom Wiener Theater. 5. Friedrich Haase
Gesamttitel Zur Kritik der Moderne
Erschienen
  • Zürich
  • Verlags-Magazin (J. Schabelitz)
  • 1890
  • Seite 93–96
Textanfang Jede einzelne Kunst hat ja besonderen Weg und besonderes Schicksal. Aber im Wesentlichen gerade, wenn man nur vom Zufälligen absieht und sich durch die Eigenart der Persönlichkeiten, die gleichen Absichten oft verschiedene Schlagworte leiht, nicht beirren läßt, ist doch dieselbe Entwicklung allen gemeinsam. Und wir können sicher sein, wenn einmal in einer Periode zu irgendwelcher Erscheinung der einen Kunst das Gegenstück in den übrigen fehlt, die nächste Periode schon ergänzt diesen Mangel. In allen Künsten ist auf die vermessene Wagezeit des individualistischen Selbstvertrauens kalte Ernüchterung gefolgt. Damals galt nur die Absicht, die Größe des Unternehmens; heute handelt es sich jedem nur um die ihm verfügbaren Mittel. Damals wollte jeder mit seiner Kunst die Welt erobern, alles, was der Gedanke des Menschen umfaßt, und je weniger einer dazu gerüstet war, desto stolzer berühmte er sich seines Beginnens; heute sucht jeder nur die beste Bewaffnung und größte Schlagfertigkeit. Damals war jeder ein bedeutender Künstler, wenn er nur Bedeutendes wollte; dann hat man sich besonnen, daß Kunst doch eigentlich vom Können kommt und nur was einer vermag, den Ausschlag giebt. Damals kannte der Ehrgeiz der Künste keine Grenzen: die Farben wollten dichten, die Töne malen, die Worte Musik sein; in unserer bescheideneren Gegenwart glaubt der Maler das Höchste erreicht zu haben, wenn er es am Gipfel seines Schaffens dahin bringt, malen zu können. In der Malerei ist uns diese Entwicklung am geläufigsten: wir brauchen uns nur an die harten, ungefügen Striche zu erinnern, in denen Cornelius dichtet, und damit den modernen Maler zu vergleichen, dem es für das Höchste gilt, wenn ihm eine vollendete Rübe gelingt.
Zusammenfassung Haase stellt für Bahr den paradigmatischen modernen Schauspieler dar: geistreich, technisch ausgezeichnet, mit großer Selbstkontrolle begabt. Aber genau gegenüber diesen Charakteristika äußert Bahr seine Vorbehalte.
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Alternative Drucke hr: Friedrich Haase. Wien, 7. März 1888. In: Deutsche Wochenschrift, Jg. 6 (1888) Nr. 10, S. 5.
Schlagwörter Buch, Section, Buchtext