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Jede einzelne Kunst hat ja besonderen Weg und besonderes
Schicksal. Aber im Wesentlichen gerade, wenn man nur vom Zufälligen absieht und
sich durch die Eigenart der Persönlichkeiten, die gleichen Absichten oft
verschiedene Schlagworte leiht, nicht beirren läßt, ist doch dieselbe Entwicklung
allen gemeinsam. Und wir können sicher sein, wenn einmal in einer Periode zu
irgendwelcher Erscheinung der einen Kunst das Gegenstück in den übrigen fehlt, die
nächste Periode schon ergänzt diesen Mangel. In allen Künsten ist auf die
vermessene Wagezeit des individualistischen Selbstvertrauens kalte Ernüchterung
gefolgt. Damals galt nur die Absicht, die Größe des Unternehmens; heute handelt es
sich jedem nur um die ihm verfügbaren Mittel. Damals wollte jeder mit seiner Kunst
die Welt erobern, alles, was der Gedanke des Menschen umfaßt, und je weniger einer
dazu gerüstet war, desto stolzer berühmte er sich seines Beginnens; heute sucht
jeder nur die beste Bewaffnung und größte Schlagfertigkeit. Damals war jeder ein
bedeutender Künstler, wenn er nur Bedeutendes wollte; dann hat man sich besonnen,
daß Kunst doch eigentlich vom Können kommt und nur was einer vermag, den Ausschlag
giebt. Damals kannte der Ehrgeiz der Künste keine Grenzen: die Farben wollten
dichten, die Töne malen, die Worte Musik sein; in unserer bescheideneren Gegenwart
glaubt der Maler das Höchste erreicht zu haben, wenn er es am Gipfel seines
Schaffens dahin bringt, malen zu können. In der Malerei ist uns diese Entwicklung
am geläufigsten: wir brauchen uns nur an die harten, ungefügen Striche zu
erinnern, in denen Cornelius dichtet, und damit den modernen Maler zu vergleichen,
dem es für das Höchste gilt, wenn ihm eine vollendete Rübe gelingt. |