Getauft wurde Hermann Bahr am auf den Namen »Hermann Anastasius Alois Bahr«. Dem
Erstgeborenen wurde mit »Alois« der Vorname des Vaters, mit dem zweiten Vornamen der
seines Paten und Onkels mütterlicherseits, Anastasius Ritter von Weidlich, verliehen.
So genau nahm er es mit seinem Namen selbst nicht, sein Ich waren viele: Ein im
Archiv aufbewahrtes, bislang unveröffentlichtes Tagebuch (Signatur VM 878Ba) aus der
Zeit vor 1900, womöglich sogar um 1890 entstanden, trägt den händischen
Namenseintrag: »Hermann Anastasius Karl Bahr«. Und sein erstes Theaterstück »Die
Wunderkur« veröffentlichte er als »Erich Hermann Bahr«. Doch damit nicht genug, »irrwischte«
er unter einer ganzen Reihe von Decknamen, deren Bezug nur in
Ausnahmefällen herzustellen ist.
Gesicherte Pseudonyme und Kürzel
Alejandro Lanza
Warum Bahr für sein Lustspiel »Juana« auf ein Pseudonym zurückgriff, lässt
sich nicht mit Sicherheit sagen. Möglicherweise war es sein Versuch, die Person
des Autors gegenüber dem Stück in den Hintergrund treten zu lassen. Dass er
dabei auf die Mystifikation eines spanischen Namens zurückgriff, dürfte eine
logische Folge sein. Im Selbstbildnis nennt er zwei Freunde aus Madrid, die für
den Namen Pate gestanden haben dürfte: Alejandro Sawa und Silverio Lanza
(Selbstbildnis, 249). Er hat jedenfalls die Autorschaft anerkannt, siehe etwa »Verismo«
in Die Zeit, 13 (1897) #157, 11. (2.10.1897) und Brief an den Vater,
8.9.1896.
Caph
Zuerst griff Bahr für eine Sammlung literarischer Texte auf den Titel »Caph« zurück,
dann verwendete er ihn 1894/95 auch als Pseudonym in »Der Zeit«,
womöglich um nicht zu viele Texte des gleichen Autors in einer Ausgabe zu
haben. Die Zuschreibung ist einfach, nahm er die Texte in Folge in seine
Sammelausgaben auf. Bei der Entschlüsselung von »Caph« selbst handelt es sich
um eine Referenz auf den 11. Buchstaben des hebräischen Alphabets. Die
Vermittlung dürfte über Eliphas Levis okkulte Schriften laufen, wie das
einleitende Zitat von Bahrs Prosasammlung »Caph« nahelegt.
B. Schwind
Als Bahr zusammen mit anderen am 26. Juli 1890 im Berliner Tageblatt
erklärt, aus der Redaktion der »Freien Bühne« ausgeschieden zu sein, versuchen
er und Johannes Schlaf den Schlag für das Blatt noch schlimmer aussehen zu
lassen, indem sie ihre Pseudonyme als eigene Mitarbeiter zählen. Bahr nennt
dabei (und wiederholt es später im »Selbstbildnis«, S. 260): Karl Linz, B.
Schwind, Globe Trotter und Schnitzel. Die Pseudonyme verwendet er in Folge
nicht mehr.
Bahr
Erich Hermann Bahr
Für die Zuschreibung spricht, dass Bahr als »unser Mitarbeiter Erich Hermann
Bahr« in der Besprechung von Bahrs Bühnenerstling »Die Wunderkur« referenziert
wird. Auch an andere, deutschnationale Zeitungen wie den Kyffhäuser verwendete
er den Namen »Erich Hermann Bahr« und im Zuge des Wagner-Trauer-Kommerses wird
er Hermann Erich Bahr bezeichnet. Als Vermutung soll hier ausgesprochen werden,
dass er sich mit dem »Erich« womöglich vom gleichnamigen juristischen Verlag in
Berlin abgrenzen wollte.
Globe Trotter auch als Globetrotter
Siehe B. Schwind.
H. B.
hb
hr
-hr
Hermann von Kürenberg
Die Entzifferung des Pseudonyms »Hermann von Kürenberg« mit Bahr kann als
gesichert gelten. Bahr löst es selbst in seinem »Tagebuch« vom 18. Januar 1921
auf (Liebe der Lebenden, I, 32-33). Die Übereinstimmung des Vornamens wird
ergänzt durch eine Anspielung auf den ersten namentlich bekannten
deutschsprachigen Dichter, »Der von Kürenberg«. Das wird wiederum gemeinhin mit
einer Burg westlich von Linz entziffert, womit Bahrs Heimatort referenziert
wird. Man vgl. auch »Karl Linz« als weiteres Pseudonym mit
Ortsbezug.
Karl Linz
Ein weiteres der Pseudonyme aus der Redaktionstätigkeit für die »Freie
Bühne« 1890, diesmal mit Bezug auf seinen Geburtsort. Für die Entschlüsselung
siehe B. Schwind.
B. Linz
Die Zuschreibung des Pseudonyms »B. Linz«, das er 1890 im »Magazin für
Litteratur« verwendete, ist durch Bahr Aufnahme des Texts in die »Überwindung
des Naturalismus« gesichert. Weitere Stützen sind die Nähe zu »Karl Linz« und
ein Brief an den Vater (S. 285). Der Grund für die Verwendung des Decknamens
dürfte darin liegen, dass gleich im Anschluss noch ein Text Bahrs
kommt.
Kieselak
Bahr verwendete das vom Graffiti-Künstler avant la lettre Joseph Kyselak
abgeleitete Pseudonym, um im »Linzer Sonntagsblatt« seine deutschnationalen und
antisemitischen Ausfälligkeiten 1883 und 1884 zu zeichnen. Die Zuschreibung des
Pseudonyms kann als gesichert gelten. In der Rezension von Bahrs Erstling »Die
Wunderkur« wird am 18. Februar 1883 das Pseudonym entziffert. Zusätzlich sind
die Texte in Bahrs Nachlass aufbewahrt, dort handschriftlich mit »=HB« bzw. »=Hermann
Bahr« ergänzt. Außerdem erwähnt »Kieselak« in der Ausgabe, das auch
die Rezension bringt, am 18.2.1883 den mit vollem Namen gezeichneten Text über »Heimstätten«
in den »Deutschen Worten« als von ihm stammend. Dazu sei noch auf
Bahrs eigene Bekenntnis, Hans Kirchmair bei der Herausgabe des Linzer
Sonntagsblatts unter die Arme gegriffen zu haben, verwiesen, sowie auf einen
Brief von Alois Bahr an seinen Sohn (9. Mai 1883), wo dieser ihm seine »Kieselakgedanken«
vorwirft. Einen kurzen Bericht, wie er auf diese Weise
seinen Vater und dessen Partei bekämpfte, gibt Bahr im »Tagebuch« vom 1. März
1924 (Zauberstab, 52–53).
Meph.
Kein eigentliches Pseudonym, handelt es sich womöglich nur um eine
druckbedingte Verkürzung seines üblichen »Mepherl« in der Deutschen
Zeitung.
Mepherl
Für die Deutsche Zeitung verfasst Bahr 1892 bis 1893 zumeist wöchentlich
über 50 Glossen unter dem Pseudonym »Mepherl« … »welches boshafte und
schlimmzüngige Geschöpf ntürlich ich bin« (Brief an den Vater, 7.11.1898). Die
Glossen sind mit Anspielungen auf Tagesgeschehen durchsetzt, haben aber so
geringen bleibenden Wert, dass Bahr von der angedachten Buchveröffentlichung
absah.
Schnitzel
Siehe B. Schwind.
Bahr zuzuordnende Pseudonyme und Kürzel
E. H. B.
Dieses und das Kürzel »-n-« findet sich in einer im Bahr-Archiv doppelt
aufbewahrten Nummer des »Linzer Sonntagsblatts« (26.8.1883). Für die
Entschlüsselung von »E. H. B.« siehe die Diskussion von Erich Hermann Bahr,
weiter oben.
H–R
Das Kürzel »H-R« findet sich vom ersten Heft an in der »Gleichheit« und ist
mit H[ermann Bah]R auflösbar. Bahrs Zeit bei Victor Adlers »Gleichheit« fällt
in die Zeit unmittelbar vor der Erfüllung seiner Wehrpflicht, weswegen er ein
lebhaftes Interesse daran haben musste, nicht namentlich in Adlers Blatt
genannt zu werden. Am 28. August 1887 stellt Adler fest, dass er Bahr seine
letzten Artikel nicht mehr gezeichnet habe und fordert ihn auf, zumindest eine
Chiffre zu wählen. »H–R« taucht aber nicht mehr auf. Dadurch, dass die
Initialen Bahrs auch bei anderen Mitarbeitern zu finden sind, vor allem beim
verantwortlichen Redakteur L. A. Bretschneider sowie einem Beiträger der ersten
Nummer, Dr. Heinrich Braun, lassen sich mehrere andere Kürzel nicht zuordnen: »H.«,
»B.«, »B–r« [mit ziemlicher Sicherheit Bretschneider, vgl. 2 (1888) #1:
A. B–r], »– – r«, »Ba«
Herman
Hermann Nimmervoll vermutet, dass es sich bei diesem am 22. 3.1884 in der
Deutschen Zeitung auftauchenden Pseudonym um die erste Publikation Bahrs in dem
Periodikum handeln könnte. Der Umstand, dass schon Bahr schon 1882 für die
Deutsche Zeitung schrieb, unterstützt aber eher Nimmervolls These, als sie zu
schwächen.
hr
Das wie das folgende finden sich in frühen Heften der »Zeit«, zu einem
Zeitpunkt, als Bahr als Herausgeber noch viel selber schrieb und auch mit
anderen Pseudonymen im Heft vertreten ist. Es dürfte in seinem Interesse oder
zumindest im Interesse der Zeitschrift gelegen haben, dem Kulturteil nicht den
Anschein zu geben, eine One-Man-Show zu sein. Zur Diskussion der einzelnen
Texte siehe dort.
B.
Siehe »hr«.
Fragwürdig ist die Zuschreibung bei:
-n-
Die Kolumne »Freie Gedanken« wurde von verschiedenen Autoren des »Linzer
Sonntagblatts« verfasst, unter anderem Bahr, der dazu das Pseudonym Kieselak
verwendete. Im Nachlass findet sich aber auch zwei Drucke einer mit »-n-« signierten.
Steht das für [Herma-n-n]? Einmal ist er unter »Freie Gedanken« abgelegt, das andere
Mal im Ordner »Artikel mit Pseudonymen« sogar mit
Bleistift gekennzeichnet. Trotzdem dürfte die Zuschreibung als Irrtum zu werten
sein, nicht nur, weil Bahr das Pseudonym »-n-« sonst nicht verwendet und die
früheren und späteren »Freien Gedanken« ›-n-‹s nicht aufbewahrt wurden. In der
selben Nummer sind außerdem der mit »H.B.« gezeichnete Text »Nur Sand in den
Augen« sowie ein Aufsatz über Burschenschafter in Jena enthalten, letzterer mit
E.H.B. signiert, womit die Motivation, die Ausgabe im Nachlass aufzubewahren,
erklärt wäre. Weiters taucht das Pseudonym öfter im »Linzer Sonntagsblatt« auf,
unter anderem mit den »Linzer Spaziergängen«. Diese beginnen am 3.6.1883 mit
folgender Selbstbeschreibung: »Ich bin ein einfältiger Mensch vom ›Lande‹ und
benützte die lieblichen Pfingsttage, um wieder einmal einen Abstecher in die
Stadt zu machen.« Ohne dass hier Autorfiktion ausgeschlossen werden kann, wäre
die Erzählhaltung für den geborenen Linzer Bahr ungewöhnlich.
tr
Verwendet in Reichspost 38 (1931) #110, 10. (21.4.1931). Margot Kuhn
vermutet (Margot Kuhn: Ibsens »Nora« auf den Wiener Bühnen (1881-1971).
Ausgewählte Kritiken. In: Maske und Kothurn, 24 (1978), 95-132, hier: 131),
dass diese anonyme Rezension von Hermann Bahr stamme. Begründung gibt sie
keine. Dagegen spricht das namentliche Kürzel »tr« und der Umstand, dass es
eine anonyme Rezension eines zu der Zeit berühmten Autors ist, nicht zuletzt
aber, dass Bahr in München lebt.
Gängige, falsche Zuschreibungen:
Martha Berger
In den 1980ern werden Beweise zusammengetragen, ob Bahr diesen
Schlüsselroman zu Salzburg nicht nur herausgegeben, sondern auch selbst
verfasst hat. Das Pseudonym lässt sich aber Mithilfe des Tagebuchs Bahrs als
das einer gewissen Amalia Pirhofer
entschlüsseln.
Herman Helferich
Bei Daviau und öfter wird das Pseudonym »Herman Helferich«, unter
dem Emil Heilbut veröffentlichte, Bahr zugeschrieben. Das beruht auf einer
missverstandenen Lektüre einer Stelle im Selbstbildnis, S. 260. Insofern ist
der Schluss, dass der vermeintliche ›Bahr-als-Helferich‹ etwas anderes
sagt als ›Bahr-als-Bahr‹ (Schultz: Bahr als Publizist ist Berlin, in:
Benay/Pfabigan 2004) durchaus schlüssig: Es handelt sich einfach um zwei
unterschiedliche Autoren.
Karl Konegen
Wer auf »Karl Konegen« kam, haben wir hingegen verdrängt: Den Wiener
Buchhändler und Verleger Bahrs kann man nur mit wenig Kenntnis der Materie mit
ihm verwechseln.