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Wir sind sehr lernbegierig geworden, und mit den unermüdlichen
Ansprüchen unserer immer gewinnsüchtigeren Bildung quälen wir uns und die anderen:
denn jeden Genuß verwandeln wir allmälig zum Lehrbehelf und nicht länger mit den
Sinnen, so scheint es fast, sondern nur mehr mit dem Verstande berühren wir das
Vergnügen. Vordem, wenn eine Ausstellung nur die Schaulust befriedigte, daß das
Auge sich freute und die Neugierde Nahrung fand – darüber hinaus verstieg sich
selten ein Wunsch und ein Haufe von Prunkstücken, wenn sein bunter Reichtum nur
Beifall erwarb, genügte dem Strengsten. Solche Bescheidenheit ist uns versagt. Wir
verlangen ein anderes und glauben damit mehr zu verlangen. Wir sind ein gelehrtes
Geschlecht, das überallhin den Schulsack mit sich schleppt, und auf seine
Bereicherung vornehmlich, auf Erweiterung und Ergänzung des Wissens zielt allezeit
unsere Absicht. Keinen anmutigen Bericht gefälliger Abenteuer fordern wir vom
Roman, den wir lesen, sondern nur insoferne er ein Sittenbild unserer Zeit ist,
lassen wir ihn gelten; und in der Litteratur haben einige mit seiner Witterung des
herrschenden Geistes ihr Glück dadurch gemacht, daß sie die Poesie nur als eine
bequemere Form des Unterrichtes behandelten. Im Theater wollen wir die nämlichen
sozialen Fragen finden, über die wir eben im Parlament gebrütet, und in der
Ausstellung suchen wir die Kultur der Zeit, die wir in der letzten Statistik in
Zahlen gelesen, in Farben ausgedrückt. Nie war ein Geschlecht von der Sehnsucht
der Romantiker, von der Kunst um der Kunst willen, weiter entfernt als diese
Gegenwart, in der die Kunst und ihre Anordnung dem Wissenszwecke gehorchen. |