Die Herkunft der Weltanschauungen

Hermann Bahr: Die Herkunft der Weltanschauungen. In: Zur Kritik der Moderne. Zürich: Verlags-Magazin (J. Schabelitz) 1890, S. 5–17.

Verfasser:in Bahr, Hermann
Titel Die Herkunft der Weltanschauungen
Gesamttitel Zur Kritik der Moderne
Erschienen
  • Zürich
  • Verlags-Magazin (J. Schabelitz)
  • 1890
  • Seite 5–17
Textanfang Es ist ein Merkwürdiges um die jeweilig herrschende Denkund Anschauungsweise einer Zeit. Dem einzelnen von ihr Beherrschten scheint sie jedesmal etwas Selbstverständliches, für alle Zeiten unwandelbar Gleichbleibendes, weil durchaus nicht anders Denkbares, etwas Absolutes, das einem jeden der »gesunde Menschenverstand« eingeben müsse. Aber dieser scheinbar so stetige, so unabänderliche »gesunde Menschenverstand«, auf den sich nach Kant’s Wort ein jeder immer »als auf ein Orakel« beruft, ist in Wahrheit ein gar windiger Geselle, durchaus wetterwendisch, jeden Augenblick einer andern Laune nachhängend. Was er hier als häßliche Schamlosigkeit ächtet, gebietet er dort als verbreitete Sitte. Was er jetzt für widerwärtig und abgeschmackt verpönt, hat er vormals Muster und Ausbund aller Schönheit genannt. Was er heute als welterlösendes Ideal auf alle Fahnen schreibt, wird er morgen als thörichte Ammenfabel verhöhnen. Es ist durchaus kein Verlaß auf ihn, weil er immer nur der Ausdruck der jeweiligen Weltanschauung und diese unablässigem Wandel unterworfen ist.
Zusammenfassung Bahr’s Versuch, Marx‹ Basis-Überbau-Schema in die Kulturgeschichte zu übertragen. Die Entwicklung der »Weltanschauungen« sei abhängig vom Wechsel des »ökonomischen Prozesses«.
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Schlagwörter Buch, Section, Buchtext