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»Als Herre Krist geboren ward. Christnachtsröselein gebrochen
dem ewigen Lieb« von Paschalis Schmid; mit hundertvier meist ganzseitigen Bildern
in Tonüberdruck sowie zahlreichen Initialen in Altrot (München 1921, Gesellschaft
für christliche Kunst). Das ist für Aug und Ohr, für Kopf und Herz, für alt und
jung in Lust und Leid das allerschönste Weihnachtsbuch; was Schöneres läßt sich
für einen deutschen Menschen überhaupt nicht erdenken. Denn indem hier gezeigt
wird, wie von unseren Altvordern die Geburt des Herrn in Bild, Lied und Schrift
begangen worden, tun sich alle Tiefen ungebrochener deutscher Art uns auf, ihr
Hochsinn und ihr Zartsinn, das Gewaltige wie das Gelinde, der Drang zum
Unendlichen wie das Glück im Kleinsten, das aus jedem Wegerich noch den lieben
Gott vernimmt. Und es ist eine ganze Kunstgeschichte: da ziehen alle unsere
Meister auf, der des Marienlebens und Francke, Stephan Lochner, der des Sterzinger
Altars, der der Lyversberger Passion und der Cölnische, Martin Schaffner,
Isenbrant, Goes, Bouts, Mabuse, Memling, Schüchlin, Striegel, Burgkmair, Cranach,
Altdorfer, die van Eyks und Weyden, Holbein, Dürer und Grünewald. Es ist aber
zugleich auch eine Geschichte des deutschen Liedes: von Leisentritts und dem
Tegernseer Gesangbuch des XVI. Jahrhunderts mit dem Andernacher, dem Cölner, dem
Mainzer, dem Speyrer und dem Corners durch den Dreißigjährigen Krieg hindurch bis
zur Geistlichen Nachtigall. Und auch eine Geschichte deutscher Prosa wird es
schließlich noch: Mechtild von Magdeburg, die Fließende, Bertold von Regensburg,
David von Augsburg, das Passional und Tauler und immer aber zwischendurch wieder
Seuse, in den Himmel so himmlisch verliebt; aus ihnen spricht die ewige Weisheit
selbst, und so, daß es jedes Kind verstehen kann. Mir aber war das schönste
Geschenk darin der Hermann von Fritslar, den ich noch gar nicht kannte (um 1343).
»Es ist, schreibt der einmal, es ist eine Gewohnheit: wann die guten Engele
erscheinen, so forchtet sich der Mensch zum ersten ein wening und wird darnach
fröhlich zur Hand; aber wann die bösen Engele erscheinen, so ist der Mensch zum
ersten fröhlich, und aber danach wird ihm sehr grauend.« Das ist eine jener
Wahrheiten, die man, sind sie nur erst einmal ausgesprochen, niemals mehr
verlieren kann, weil man sie ja selber schon immer gewußt und nur bisher noch
nicht gewußt hat, daß man sie weiß; ich vergehe vor Ungeduld, den Fritslarer ganz
kennen zu lernen, und da meinen unsere Weisen aber dann immer erst noch nach
Indien entlaufen zu müssen! Ich könnte, dies edle Weihnachtsbuch in den dankbaren
Händen, das bißl Zeit, das mir noch bleibt, getrost auf einer einsamen Insel
verbringen, ich nähme die Heilige Schrift mit und brauchte dann für den Rest
wahrhaftig mein Lebtag nichts Gedrucktes mehr. | |