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Grillparzer als Prophet: Sie regen sich, doch immerdar im Kreis.
Die Zeit hat keine Männer, Freund wie Feind. --------------------- Der Reichsfürst
will sich lösen von dem Reich, Dann kommt der Adel und bekämpft die Fürsten; Den
gibt die Not, die Tochter der Verschwendung, Drauf in des Bürgers Hand, des
Krämers, Mäklers, Der allen Wert abwägt nach Goldgewicht. Der dehnt sich breit und
hört mit Spottes-Lächeln Von Thoren reden, die man Helden nennt, Von Weisen, die
nicht klug für eignen Säckel, Von allem, was nicht nützt und Zinsen trägt. Bis
endlich aus der untersten der Tiefen Ein Scheusal aufsteigt, gräßlich anzusehn,
Mit breiten Schultern, weitgespaltnem Mund, Nach allem lüstern, und durch nichts
zu füllen. Das ist die Hefe, die den Tag gewinnt, Nur um den Tag am Abend zu
verlieren, Angrenzend an das Geist- und Willenlose. --------------------- Ich sage
dir: nicht Scythen und Chazaren, Die einst den Glanz getilgt der alten Welt,
Bedrohen unsre Zeit, nicht fremde Völker; Aus eig’nem Schoß ringt los sich der
Barbar, Der, wenn erst ohne Zügel, alles Große, Die Kunst, die Wissenschaft, den
Staat, die Kirche Herabstürzt von der Höhe, die sie schützt, Zur Oberfläche
eigener Gemeinheit, Bis alles gleich, ei ja, weil alles niedrig,
--------------------- Erst gebt dem Einzelnen, dem Unverständ’gen Ein Urteil ihr
in dem, wo selbst die Weisen Verstummend steh’n als an der Weisheit Grenze, Dann
ruft ihr ihn vom Acker auf den Markt, Zählt seine Stimme mit und heißt ihn mehren
Die Mehrzahl wider Ehrfurcht und Gesetz. Ihr stellt ihn gleich mit euch, und hofft
doch, künftig Als Mindern ihn zu stellen unter euch? Und wärt ihr auch so
christlich mild gesinnt, Im Menschen nur zu sehen euren Bruder: Seht an die Welt,
die sichtbar offenkund’ge, Wie Berg und Tal und Fluß und Wiese steh’n. Die Höhen,
selber kahl, zieh’n an die Wolken Und senden sie als Regen in das Tal, Der Wald
hält ab den zehrend wilden Sturm, Die Quelle trägt nicht Frucht, doch nährt sie
Früchte, Und aus dem Wechselspiel von hoch und niedrig, Von Furcht und Schutz
erzeugt sich dieses Ganze, Des Grund und Recht in dem liegt, daß es ist. Zieht
nicht vor das Gericht die heil’gen Bande, Die unbewußt, zugleich mit der Geburt,
Erweislos, weil sie selber der Erweis, Verknüpfen, was das Klügeln feindlich
trennt. Du ehrst den Vater – aber er ist hart; Du liebst die Mutter – die
beschränkt und schwach, Der Bruder ist der nächste dir der Menschen, Wie sehr
entfernt in Worten und in Tat; Und wenn das Herz dich zu dem Weibe zieht, So
fragst du nicht, ob sie der Frauen Erste, Das Mal auf ihrem Hals wird dir zum
Reiz, Ein Fehler ihrer Zunge scheint Musik. Und das: Ich weiß nicht was, das dich
entzückt, Ist ein: Ich weiß nicht was für alle andern; Du liebst, du hoffst, du
glaubst. Ist doch der Glaube Nur das Gefühl der Eintracht mit dir selbst, Das
Zeugnis, daß du Mensch auf beiden Seiten: Als einzeln schwach, und stark als Teil
des All. Daß deine Väter glaubten, was du selbst, Und deine Kinder künftig treten
gleiche Pfade, Das ist die Brücke, die aus Menschenherzen Den unerforschten
Abgrund überbaut, Von dem kein Senkblei noch erforscht die Tiefe. O, prüfe nicht
die Stützen, bessre nicht! Dein Menschenwerk zerstört den geist’gen Halt, Und
deine Enkel lachen einst der Trümmer, In denen deine Weisheit modernd liegt. Ist
eure Satzung war, wird sie bestehn Und wie das Bäumchen, das vom Stein gedrückt,
Die Zweige breiten, siegend ob der Last; Allein, wenn falsch, so wißt, daß seine
Wurzeln Auflockern All, was fest und alt und sicher. Der Zweifel zeugt den Zweifel
an sich selbst, Und einmal Ehrfurcht in sich selbst gespalten, Lebt sie als
Ehrsucht nur noch und als Furcht. Maßt euch nicht an, zu deuteln Gottes Wahrheit.
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