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Im »Neuen Buch«, einer Berliner »Zeitschrift für Bücherfreunde«,
bläst Sophie Hoechstetter Alarm für Dornburg, Goethes Dornburg, das von der
Sozialisierung bedroht wird: »Mietlustige ziehen über den Berg und betrachten auf
ihre Nützlichkeit die alten Zimmer Goethes, Leute, die sich bisher in Wohnküchen
glücklich fühlten, begehren in Karl Augusts und Maria Paulownas Schloß zu ziehen:
der Garten, den Goethe selbst bepflanzte, hat die Aussicht, unter Kriegsgewinnler
geteilt zu werden.« Und sie schildert dann den alten Louis Bachstädt, den
Hofgärtner und Kastellan, der »ein wenig Wieland, ein wenig Karl August glich, die
Allüren eines Herrschers hatte«, keine Veränderungen zuließ und in seinem langen
Leben einige zehntausend Fremde durch Schloß und Garten geleitet haben muß, jeden
Frühling auf die weißen Bänke wieder mit frischer Ölfarbe »von Goethe« schrieb und
den Plural majestaticus von Goethes Person auch auf Goethes Sachen übertrug, indem
er in seiner singenden Mundart nicht bloß sagte: »Hier haben Goethe die Iffichämie
gedichtet«, sondern auch: »Hier haben Goethes Tisch gestanden!« Sophie
Hoechstetter hat selbst eine Zeit in Dornburg gelebt, in den ärmlichen, aber auch
noch von Erinnerungen an Liszt beglänzten Stuben des grauen Hauses im Park, und so
kann sie auch erzählen, wie der letzte Großherzog von Weimar, Wilhelm Ernst,
einmal mit der Großherzogin und ihren Damen auf einige Stunden nach Dornburg kam:
die Hoheiten waren sehr verlegen und wußten nichts anzufangen, weder mit sich noch
mit Dornburg noch mit Goethe. Man kann das eigentlich aber dem Großherzog gar
nicht verdenken, er ist auch zu gräßlich geplagt worden mit Goethe! Nach deutschem
Brauch kam er in jungen Jahren auf ein paar Semester an eine Hochschule, um »das
Leben kennen zu lernen«. Dies bestand darin, daß er sich von einem Geheimrat zum
anderen durchzudinieren hatte, rings dem Range nach herum. Und da saß er denn
immer zwischen den beiden ältesten Geheimrätinnen, es waren nicht immer dieselben,
aber sie waren immer gleich. Und es begann die Geheimrätin rechts, mit
Augenaufschlag: »Ja, Goethe! Unser großer Goethe!« Schon aber kam die Geheimrätin
links daran: »Und das stille Gartenhaus! Und Tiefurt!« Und so zählten alle
Geheimrätinnen rings im Chor verzückt ihre Goethe-Kenntnis auf (eine der jüngsten
hat mirs dann einmal lachend vorgespielt). Da kann einem Goethe wirklich für
Lebenszeit vergehen! Aber daß jetzt auch das deutsche Volk mit ihm ebenso wenig
anzufangen weiß wie jener arme Großherzog, ist nicht schön. | |