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Wieder viel mit Whitman zusammen, stieß ich auf einen mir bisher
unbekannten englischen Dichter des XVII.Jahrhundert, der, zwei Jahrhunderte nach
seinem Tode lang vergessen, erst 1896 wieder entdeckt worden ist: Thomas Traherne.
Es ist ausgeschlossen, daß Whitman eine Zeile von ihm oder auch nur seinen Namen
gekannt hat, und doch gleichen sich die beiden an Gehalt wie Form oft so
verblüffend, daß man Bertram Dobell, dem Finder, Trahernes, zustimmen muß, wenn er
meint, man fühle sich versucht, an Seelenwanderung zu glauben und in Whitman
einfach Traherne wiedergeboren zu sehen. Bis aufs Wort treffen sie sich zuweilen,
wie denn in den Versen Trahernes »A juicy Herb or Spire of Grass in useful Virtue,
native Green An emerald doth surpass« sogar schon auch der Titel der Leaves of
Grass enthalten ist! Nicht bloß den dankerfüllt segnenden Blick auf das Leben,
nicht bloß dieses ewig frohe » All’s well with the world« haben sie gemein,
sondern auch die Sicherheit, mit der sie selbst in den höchsten Verzückungen des
Allgefühls noch ihr eigenes Selbst bewahren, niemals, wie Mephisto der Monisten
spottet, »liebewonniglich in alles überfließen«, sondern ganz fest in sich ruhen
bleiben, in der eigenen Individuation sturmsicher vor Anker liegen (was sie beide
vor dem Pantheismus deutscher Oberlehrer schützt, dem in sein wesenloses All
zuletzt alles zerrinnt und Gott mit dem Ich so zusammenfällt, daß am Ende von
beiden nichts übrig bleibt). Aber ist es eigentlich so seltsam, daß sie
übereinstimmen? Die Wahrheit bleibt doch in allen Zeiten dieselbe. Wie stark der
gewaltige Strom des Irrtums durch die Jahrhunderte rauscht, die leise Stimme der
Wahrheit tönt darunter unverändert fort. Alles, was Whitman verkündet, steht
eigentlich schon in der Farbenlehre Goethes und William Blake hat es auch schon
gewußt und Taherne mag es bei Leibniz gelesen haben und Leibniz beim Cusaner und
der im ersten Brief Petri, und die Pythagoräer wieder hatten es von den Chinesen:
als Adam das Paradies verlor, glitt mit ihm ein Abglanz der ewigen Wahrheit mit in
die Welt des Scheins hinaus, der kann in der Menschheit, wie dunkel es auch oft um
sie wird, nie ganz verlöschen. – Übrigens: die Gestalt Trahernes wird uns erst
ganz erscheinen können, wenn wir mehr vom englischen Barock wissen werden. Durch
Wilhelm Hausensteins unvergleichlich reiche, tiefe und wegbahnende Schrift: »Der
Geist des Barock« (R.Piper, Verlag, München), die dartut, warum und worin das
Barock recht eigentlich unser Problem ist, das Problem von morgen, ganz ebenso wie
die Renaissance das Problem der Zeit Burckhardts und Nietzsches war, ist ja jetzt
die Diskussion über das Barock eröffnet und damit den jungen Leuten gleich Arbeit
für zwanzig Jahre zugewiesen. Dieses Grundbuch steckt das Feld ab: was hier
intuitiv erkannt, zuweilen vielleicht auch vorderhand bloß aus Ahnungskraft
imaginiert ist, muß uns nun erst auch noch im einzelnen wissenschaftlich erbracht
werden; die Kärrner werden zu tun haben. Man darf ja nämlich nicht vergessen: auch
Calvin und Cromwell sind Barockfiguren, freilich à rebours, und gar der Quäker
George Fox ist erst recht durchaus eine Barockfigur! Die Formel für Traherne wäre
vielleicht: Jakob Böhme mit Stuart-Atmosphäre. | |