Verfasser:in |
Bahr, Hermann |
Titel |
24. April [1920] |
Gesamttitel |
Kritik der Gegenwart |
Erschienen |
- Augsburg
- Haas & Grabherr
- 1922
- Seite 120
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Volltext |
Das gefährlichste monarchistische Komplott ist aber doch diese
Republik selber! Vor ihr waren wir eigentlich alle doch heimliche Republikaner;
erst jetzt wird’s uns unheimlich. Denn damals wirkte ja bis tief in meine
Generation hinein, ja selbst über sie hinaus das Jahr Achtundvierzig noch nach.
Aus revolutionären Studenten waren kaisertreue Beamte geworden, aber mit dem
Plutarch im Herzen, wenigstens am Sonntag. Und eine gewisse Brücke zwischen dem
Plutarch und Franz Josef stellten sie sich durch das Axiom her, das Volk bedürfe
ja zunächst noch der Erziehung durch den Liberalismus, um erst allmählich so für
die Republick reif zu werden. In solchen Lehren aufgewachsen, freuten wir uns alle
darum der Ereignisse des Novembers 1918 sehr: sie gaben uns doch gleichsam das
Zeugnis der Reife. Wem hätte das nicht geschmeichelt? Lang, lang ist’s her! Auch
waren ja bis dahin nur zwei Formen der Republik bekannt: die Wahl schien nur
zwischen einer aristokratischen und einer demokratischen Republik. Die dritte Form
ahnte man noch nicht. Man wußte nicht, daß es auch eine Kleptokratie gibt.
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Zusammenfassung |
Österreich sei keine demokratische Republik geworden, sondern
eine Klepotkratie. |
Weitere Drucke (Periodika) |
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Alternative Drucke |
Hermann Bahr: Tagebuch. 24. April. In: Neues
Wiener Journal, Jg. 28, Nr. 9528, 16.5.1920, S. 5. |
Schlagwörter |
Buch, Section, Tagebuch, Buchtext |