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Karl Ludwig Schleich, Strindbergs Jugendfreund, Chirurg und
Poet, als Ersinner der Infiltrations-Anästhesie (ich habe keine Ahnung, was das
eigentlich ist, aber jeder Arzt macht auf den bloßen Namen hin ein
ehrfurchtsvolles Gesicht) sehr berühmt, hat schon vor einigen Jahren seinen
wissenschaftlichen Ruf durch die Taktlosigkeit gefährdet, in den geistlichen
Übungen des Heiligen Ignatius »ein bisher ganz übersehenes, praktisch enorm
wichtiges Heilverfahren« aufzufinden, ja es in seiner eigenen ärztlichen Praxis
anzuwenden und dann gar noch dazu mit diesen Methoden des heiligen Ignatius die
größten Erfolge zu haben; sein auch sonst für einen doch sozusagen beruflich zum
Materialismus verpflichteten, auf Materialismus vereidigten Mann höchst
ketzerisches Buch »Vom Schaltwerk der Gedanken« (Neue Einsichten und Betrachtungen
über die Seele. S. Fischer Verlag, Berlin 1916) erzählt davon. Es enthält auch
einen sehr merkwürdigen Aufsatz über »die Hysterie – ein metaphysisches Problem.«
Da wird ein Fall von Fieber aus Hysterie, ferner ein Tetanus aus Hysterie,
schließlich ein Tod aus Hysterie berichtet: alle drei bloß durch Phantasie, durch
eine rein geistige Kraft also bewirkt. In einem jüngst zu Charlottenburg
gehaltenen Vortrag über »Gedankenmacht und Hysterie«, der jetzt im Ernst-
Rowohlt-Verlag, Berlin, erschienen ist, definiert er nun, jene Beispiele
benützend, die Hysterie als »einen Spezialfall der Schöpfung aus Idee«, durch den
also Platos Lehre, daß nichts in der sinnlichen Welt ist, was nicht vorher in der
schöpferischen Vernunft war, bewiesen sei, bewiesen, daß unsere Phantasie »direkt
schöpferisch Formen erzeugt«, bewiesen »Formenbildung aus Idee«, bewiesen, daß auf
rein geistigem Wege Substanz entstehen kann. Wie mag sich nur ein »Mann der
Wissenschaft« so finsterer Mittelalterlichkeiten erdreisten? Er hat sich schon in
jenem Buch auf sehr verdächtigen Gesinnungen ertappen lassen. Sagt er doch dort
geradezu: »Die Menschen, welche ohne den Glauben an ein ewiges Leben leben, haben
überhaupt kein Dasein, sondern nur ein Hiersein. Wieviel würde die Menschheit
gewinnen, wenn sie so lebte, als gäbe es eine Vorbereitung auf das Jenseits! Die
Unsterblichkeit, wenn es sie nicht gäbe, müßte aus psychologischen Gründen als ein
einzig mögliches Lebensregulativ besonders erfunden werden. Es hat keinen
epochalen Menschen gegeben, der nicht den Glauben an Allmacht und Unsterblichkeit
besessen hätte.« Und an einer anderen Stelle: »Was ist Wissenschaft? Der Versuch,
die Wunder der Welt glaubhaft zu machen. Aber um das zu können, muß man diese
Wunder zunächst mutig anerkennen!« Es wird Zeit, daß die Herren Oberlehrer, die
Hüter der Gedankenfreiheit, diesem ersichtlichen Pfaffenknecht das Handwerk legen.
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