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Als Separatdruck aus der Zeitschrift »Das Ziel« ist Josef
Poppers »Auseinandersetzung mit dem Sozialismus und den Sozialisten« (Verlag
Verein Allgemeine Nährpflicht, Wien, XVII., Sautergasse 56) erschienen. In seiner
stillen, hellen, festen Art legt da der ehrwürdige Denker den »Vorzug« dar, den er
für seine »Idee der allgemeinen Nährpflicht« vor dem »Vollsozialismus« ansprechen
zu dürfen meint: nämlich »daß durch sie das Hungerproblem rein und klar wie ein
anatomisches Präparat aus dem Rattenkönig von sogenannten sozialen Problemen
herausgespült erscheint.« Die Sozialdemokratie habe doch bisher »kaum etwas
anderes erreicht als die Eroberung von Kampfpositionen«, ja man könnte sagen,
»Bismarcks Arbeiterversicherung sei eine konkretere Leistung in sozialökonomischer
Beziehung als alles was die Marxisten für Sicherung der Lebenshaltung bisher
geleistet haben ... Wohin man blickt, findet man bei den Sozialreformern nichts
als Unklarheiten, Halbheiten, große Worte, Unfruchtbarkeit und
Sackgassenvorschläge«. Er gibt auch ein Schreiben an die »Arbeiter-Zeitung«
wieder, der er für ihren Aufsatz zu seinem 82. Geburtstag dankt. Darin heißt es:
»Ich prätendiere nicht entfernt, Sozialist zu sein oder zu heißen, besonders wenn
man unter Sozialismus eine ganze Weltanschauung versteht! So weit versteige ich
mich nicht, ich will den Menschen nur zu – essen geben und will jedem, ausnahms-
und bedingungslos, mit voller Sicherheit Kost und Quartier versorgen, behandle
also ein ganz ordinäres, aber wirklich sehr dringendes Problem und gar kein System
irgendwelcher Art ... Ich kann und will weder Sozialist, noch Kommunist, noch
Liberaler, noch Konservativer usw. heißen.« So spricht, wer wirken, die Welt an
irgendeinem Punkt abändern, fördern, bessern, ihr Hilfe leisten, überhaupt irgend
etwas leisten will und sich darum ans Mögliche halten muß, das freilich aber
reizlos und darum ja nichts für den Politiker ist, denn der Politiker kann nur
brauchen, was Emotion erregt. Aber wie Popper hier von der Sozialdemokratie mit
einer Entschiedenheit abrückt, das hat eigentlich für mich etwas unsäglich
Melancholisches. Ich muß jetzt so oft an Viktor Adler und Engelbert Pernerstorfer
denken, die Freunde meiner Jugend; und da bin ich dann immer froh, daß sie das
nicht mehr erlebt haben, daß ihnen erspart blieb, die Verwandlung der
Sozialdemokratie zu sehen, ihre Verwandlung in eine herrschende Partei. Politik
ist immer ein Roßhandel. Wer den nicht mitmachen wollte, wurde zu meiner Zeit
Sozialdemokrat, denn das Ende der Politik gerade versprachen wir uns von der
Ankunft der Arbeiter. Sie waren uns keine Partei, sie waren uns die Vorhut der
Menschheit. Darum hielten damals alle menschlich Gesinnten, alle an die Menschheit
Glaubenden, alle Hoffenden, alle den politischen Trug Hassenden, alle nach
Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe Verlangenden, diese hielten alle damals zu den
Arbeitern, sie wurden alle damals Sozialdemokraten. Lang, lang ist’s her! Mit den
Arbeitern, so träumten sie, zöge dereinst die Menschlichkeit ein. Denn der
Arbeiter, träumten wir, kämpfe nicht für seine Klasse, sondern um aller Klassen
Ende. Von wem aber sollen wir es uns hinfort jetzt erträumen? Und ganz traumlos
geworden, ist die Politik doch unerträglich. | |