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In den Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des
West-östlichen Diwans steht: »Überhaupt pflegt man bei Beurteilung der
verschiedenen Regierungsformen nicht genug zu beachten daß in allen, wie sie auch
heißen, Freiheit und Knechtschaft zugleich polarisch existiere. Steht die Gewalt
bei einem, so ist die Menge unterwürfig; ist die Gewalt bei der Menge, so steht
der einzelne im Nachteil; dieses geht denn durch alle Stufen durch, bis sich
vielleicht irgendwo ein Gleichgewicht, jedoch nur auf kurze Zeit, finden kann. Dem
Geschichtsforscher ist es kein Geheimnis; in bewegten Augenblicken des Lebens
jedoch kann man darüber nicht ins klare kommen. Wie man denn niemals mehr von
Freiheit reden hört, als wenn eine Partei die andere unterjochen will und es auf
weiter nichts abgesehen ist, als daß Gewalt, Einfluß und Vermögen aus einer Hand
in die andere gehen sollen. Freiheit ist die leise Parole heimlich Verschworener,
das laute Feldgeschrei der öffentlich Umwälzenden, ja das Losungswort der Despotie
selbst, wenn sie ihre unterjochte Masse gegen den Feind anführt und ihr von
auswärtigem Druck Erlösung auf alle Zeiten verspricht.« In diesen Wahrheiten
Goethes gibt uns jeder Tag jetzt handgreiflichsten Anschauungsunterricht. | |