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Aus einer neuen, sehr handlichen Ausgabe von Laotses »Tao Teh
King« (Übertragung von H. Federmann. C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung, München
1920) notiert: Nur wer frei von den Dingen, Geistigkeit begreift. Wer noch strebt
nach den Dingen, nur die Schale ergreift,
---------------------------------------------- Sein und Nichtsein auseinander
entspringen. Schwer und Leicht einander bedingen. Lang und Kurz einander erweisen.
Hoch und Tief einander erst zeigen. Ton und Stimme sich eng verbinden. Vorher und
Nachher zusammen sich finden. Darum verharrt der Heilige im Nicht-Tun bei allem
was er treibt ---------------------------------------------- Er vollbringt sein
Werk, doch hängt nicht daran. ----------------------------------------------
---------------------------------------------- Wahrlich! Dem wahrhaft Vollkommenen
strömt alles von selbst zu. ---------------------------------------------- Der
Heliige hat kein eigenes Herz. Das Herz des Volkes macht er zu seinem Herzen. Zu
den Guten bin ich gut, zu den Bösen bin ich auch gut, denn Tugend ist Güte. Zu den
Treuen bin ich treu, zu den Falschen bin ich auch treu, denn Tugend ist Treue. Der
Heilige lebt einsam inmitten der Welt, aber in seinem Herzen hat er Raum für alle.
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---------------------------------------------- Wahre Worte sind nicht schön,
schöne Worte sind nicht wahr. Der Gute streitet nicht; wer streitet, ist nicht
gut. Der Weise ist nicht gelehrt, der Gelehrte ist nicht weise. Der Heilige häuft
keine Schätze auf. Je mehr er für die Menschen tut, desto mehr wird er erlangen.
Je mehr er den Menschen gibt, desto mehr wird er empfangen. Und im Nachwort des
Übersetzers ist vortrefflich der Abschnitt über das Wu Wei, die Lehre vom
Nichttun, die durchaus nichts östlich quietistisches sei: »Laotse meint mit Wu Wei
nirgends ein Nicht-Handeln, sondern, wie aus allen dafür zu beachtenden Stellen
hervorgeht, ein nicht eigenmächtig der eingeborenen himmlischen Natur der Dinge
Entgegenhandeln, also eher ein: »nicht mit Werken umgehen«, wie es Paulus in
seinem Römerbriefe gebraucht. Laotse selbst aber zerstört jeden Zweifel an dem
wahren Sinn seines Wu Wei, indem er es erweitert und in seiner Negativität aufhebt
durch die zweite größere Forderung, die er ihm gegenüberstellt: Wei Wu Wei gleich
Tun durch Nichttun sagt Laotse geradezu und stellt damit klar, daß es sich um
keine äußere Vielgeschäftigkeit handelt, die dem Geist entgegenwirkt, sondern um
eine wahre innere Aktivität, um eine göttliche Gelassenheit, etwa in dem Sinn, wie
Philo der Neuplatoniker Gott als den apoios den Nichthandelnden bezeichnet.
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