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»Indessen begießt man einen Garten, da man dem Lande keinen
Regen verschaffen kann.« Dieser pragmatische Rat Goethes enthält alles, was uns
armen Rumpfösterreichern zu tun noch allenfalls übrig bleibt. Trachte jeder sein
Gärtchen zu begießen, vielleicht, daß ihm noch ein paar Blümchen erblühen. Wer
weiß, wann der liebe Gott dem Land wieder einmal Regen gibt? Sei bis dahin still
daheim jeder für sich ein Candide. » Travaillons sans raisonner, dit Martin, c’est
le seul moyen de rendre la vie supportable.« » Cela est bien dit, répondit
Candide, mais il faut cultiver notre jardin« ... Jenes Zitat Goethes, mir bisher
unbekannt, verdanke ich Emil Ludwigs Goethe-Buch, das nach dem ersten Band
(»Goethe, Geschichte eines Menschen«, I. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger,
Stuttgart und Berlin, 1920) so wunderschön zu werden verheißt, daß man fast
geneigt wäre, dem Verfasser seine Torheiten über Wagner, wenn auch nicht zu
vergeben, so doch zu vergessen. In diesem ersten Band hat auf mich am reinsten das
sechste Kapitel gewirkt, »Pflicht« überschrieben. Wie Goethe sein Amt übernimmt,
sich dem Amt hingibt, ja fast an das Amt sich verliert, den hohen Ernst, den er
einsetzt, ja die Leidenschaft, die er aufbringt, unbelohnt, kaum bemerkt, noch
weniger verstanden, keineswegs gewürdigt und, was ärger ist, dadurch gehemmt,
gestört, ja zuletzt alle Wirkungen vereitelt, vernichtet und sich aber nicht bloß
um den Erfolg betrogen, sondern fast auch um die Freundschaft des Fürsten gebracht
sieht, zu seinem Glück übrigens, wie doch dem von allen guten Genien bewachten,
treu geleiteten Manne jede Gefahr, indem sie ihn sich nur immer noch tiefer auf
sich zu besinnen, von den trügerischen Flächen seiner es sich allzu leicht werden
zu lassen sehr bereiten Natur hinab auf den Grund unterzutauchen zwingt, zu seinem
Glück, weil, hätte sich nicht der Minister in seinen Plänen beschränkt, in seinen
Hoffnungen enttäuscht gefühlt, vielleicht der Künstler das Opfer geworden wäre,
dieses merkwürdigste von allen inneren Abenteuern Goethes fand ich nie so
behutsam, mit so viel Takt, mit so zärtlich schonender Hand nicht eigentlich
aufgedeckt, weil ja hier Bloßlegen schon ein Bloßstellen wäre, sondern gerade nur
so still berührt, als sich mit der Ehrfurcht vor dem Gewaltigen, auch im
Irrewerden an sich selber Gewaltigen, eben noch verträgt. Unheimlich ist ja, wie
Goethe, je größer ihn das ministerielle Abenteuer im Sittlichen zeigt, hier gegen
seine Kunst fast gewissenlos scheint; kaum irgendein Dichterlein, noch so klein,
hat je das Dichten so wenig wichtig genommen, wie Goethe seines. Das deutet Ludwig
nur an, aber dafür ist des »Weltkinds«, für das sich Goethe so gern ausgab,
ungeheurer Ernst, entsagendes Pflichtgefühl und fast mönchische Strenge mit sich
selbst noch nie rührender, ergreifender gezeigt worden. Halten sich die beiden
anderen Bände des Werkes auf dieser Höhe, so kann es für das deutsche Haus werden,
was in meiner Jugend Lewes‹ indessen längst überholtes Goethe-Buch war. | |