Volltext |
Ein Kritiker verübelt mir mein neues Lustspiel. Wie kann, wer
eben noch mit seiner »Bekehrung« groß getan, sich noch darin gegefallen, die Welt
zu verulken? Aber, verehrter Herr, dann doch erst recht! Denn gerade, wer »die
Welt« einmal durchschaut hat, dem bleibt doch wirklich nichts übrig als sie zu
verulken. Und wenn Sie das mir nicht glauben wollen, so hören Sie Wagner, der an
Liszt schrieb: »Wie bezeichnend ist es nun auch, daß fast alle großen spanischen
Dichter in der zweiten Hälfte ihres Lebens sich in den geistlichen Stand
zurückzogen. Wie einzig aber ist es, daß von hier aus, nach vollkommener ideeller
Überwindung des Lebens, diese Dichter dann dasselbe Leben mit einer Sicherheit,
Reinheit, Wärme und Deutlichkeit schildern konnten, wie nie vorher, da sie im
Leben standen, ja die graziösesten launigsten Schöpfungen sich aus jener
geistlichen Zurückgezogenhelt zutage brachten!« Damit ist das Verhältnis des
barocken Künstlers, ja überhaupt des barocken Menschen zum Irdischen auf das
reinste dargetan: eben indem er den Trug dieser Welt erkennt, sie verläßt und
selber nicht mehr mittut, gewinnt er, von drüben her, die Freiheit, nun ruhig in
diesen Wahn, den er nicht mehr wähnt, zurückzukehren, um hinfort von dieser Welt
zu sein, als wäre er von ihr nicht, an ihr zu leiden, als litte er nicht, sich mit
ihr zu freuen, als freute er sich nicht mehr; durch Weltüberwindung gewinnt er die
Freiheit, in der Welt mit Welt zu spielen. Diese barocke Freiheit hat freilich
einen doppelten Boden: das Spiel, erst als Reiz, als Lust empfunden, wird dann
aber auch noch als Pflicht, als Beruf, als unser wahrer Ernst erkannt, und welch
ein grimmiger Ernst, wenn wir des ewigen Auges gedenken, das unserem irdischen
Spiel zusieht, um uns dafür dereinst zu lohnen und zu strafen. Das sind die Stufen
der Erkenntnis: das Leben ein Zweck, das Leben ein Leid, das Leben ein Traum, das
Leben ein Ulk, das Leben ein Spiel, das Leben ein Gottesdienst! Und wer mit dem
Leben ulkt, ist also freilich noch nicht sehr weit, aber immerhin doch schon der
Wahrheit viel näher, als wer es noch buchstäblich nimmt. Joculatores Domini hat
der heilige Franziskus seine Schar genannt, die Spaßmacher des Herrn. Dem tragisch
gesinnten Spießer wird’s allerdings schwer, das zu verstehen. | |