Volltext |
Das Novemberheft von » La Paix par le Droit« enthält einen sehr
ernsten Aufsatz von Lammasch, worin mit einer ruhigen Entschiedenheit, der man
doch das verhaltene Herzklopfen eines edlen Zornes anhört, alles Unrecht dargetan
wird, das der Friede von Saint-Germain über uns gebracht hat. Ob das aber auf den
Sieger großen Eindruck machen wird? Es ist vielleicht gar nicht sein Ehrgeiz,
gerecht zu sein; er hat das vielleicht gar nicht vor. Wer wäre denn auch jemals im
Augenblick des Sieges für Frau Gerechtigkeit zu sprechen gewesen? Es ist wirklich
nicht der psychologische Moment dazu. Durch Kriege pflegen Völker nicht ermitteln
zu wollen, was Recht ist, sondern wer die Macht hat, dem andern seinen Willen
aufzuzwingen ... Allerdings bringt dasselbe Heft ein sehr merkwürdiges Zitat aus
einer Rede André Tardieus ( Discours à la jeunesse française. – Fête des
Eclaireurs Unionistes du 22. juin 1919). Da heißt es: » L’Allemange, plus qu’aucun
autre pays, était propre à incarner ce système de matérialisme politique. Pendant
cînquante ans, elle l’a affirmé triomplialement, grâce au génie de Bismarck. Où
est-elle aujourd’hui, elle et son système? A nos pieds. – Jurons donc, pour notre
salut commun de ne jamais marcher sur ses traces. Nous n’aurions pas, pour y
marcher, les mêmes qualités qu’elle et plus vite qu’elle encore, nous connaitrions
le juste châtiment de l’immanente équité.« Es ist sehr schwer, aus der Ferne der
Stimme eines einzelnen anzuhören, wie weit sie in seinem eigenen Land trägt. Aber
wenn sie dort Gehör, wenn sie gar ein Echo, wenn Frankreich die Kraft fände, den
Siegesgeist niederzuringen, die Kraft zur Gerechtigkeit?! Doch dies ist
unwahrscheinlich, denn mit der Gerechtigkeit nehmen es immer nur die Schwachen
ernst, während sie von den Starken höchstens gelegentlich als Redeschmuck
verwendet wird.– Und abends las ich noch im Buch der Könige, wie Elias in die
Wüste geht, bis er zum Wacholderbaum kommt. Und unter den Wacholderbaum setzt er
sich und betet zum Herrn: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin
nicht besser als meine Väter! Und dann schläft er unterm Wacholderbaum und dann
stärkt ihn der Herr und dann geht er noch vierzig Tage und vierzig Nächte bis an
den Berg Gottes Horeb. Dort spricht der Herr zu ihm: Ich will lassen überbleiben
siebentausend in Israel, nämlich alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal,
und allen Mund, der ihn nicht geküsset hat! ... Und so hat noch jeder, dem
verordnet ist, durch die Wüste bis an den Berg Gottes zu gehen, einmal unterm
Wacholderbaum sitzen müssen. So sitzt jetzt, was einst unser Vaterland war, unterm
Wacholderbaum. Aber es werden überbleiben alle Knie, die sich nicht gebeugt haben
vor Baal, und aller Mund, der ihn nicht geküßt hat! | |