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Aus dem Brief einer Amerikanerin: »Die deutsche Propaganda war
drüben nicht glücklich, weil ein seelisches Ziel fehlte, das lebhafte Interessen
bei den Anglikanern zu erwecken vermocht hätte. Man war nicht nur falsch und
ungenügend über die Vorgänge in Deutschland informiert, sondern man interessierte
sich gar nicht dafür, ob wahr oder unwahr. So sprach die deutsche Propaganda immer
und immer wieder nur für ein deutschamerikanisches Publikum, das von vornherein
prodeutsch war.« Diese Sätze decken unser ganzes Mißverhältnis zur Welt auf: wir
trommeln nur immer wieder aus, was wir alles können, was wir alles leisten, aber
die Welt erfährt nie, was wir sind. Und in der Welt gilt doch jedes Volk nur so
viel, als es den anderen zu sagen, als es Eigenart vorzuweisen, als es Seelenklang
in den Chorgesang der Menschheit einzusetzen hat! Aber von uns kannte die Welt vor
dem Kriege ja nur noch den Handlungsreisenden in der preußischen Aufstutzung. Wir
müßten ihr zeigen, daß es auch noch andere Deutsche gibt, die stillen. Wir klagen
nur immer, verkannt zu werden, beteuern nur immer, anders zu sein. Wir sollten
lieber eingestehen: Ja, wir ließen unter uns seit den neunziger Jahren eine
Menschenart aufkommen, die sich und uns den Haß der Menschheit zuzog, aber diese
Handvoll Neudeutschen, Lärmdeutschen, Mauldeutschen, Gewaltdeutschen,
Betriebsdeutschen waren eine Fremdherrschaft in unserem Lande. Das wilhelmische
Deutschland sprang ganz aus der Art: es hat mit keinem früheren Deutschland auch
nur einen einzigen Zug gemein, weder mit dem bismarckischen Kleindeutschtum, noch
mit dem Großdeutschtum von Konstantin Frantz, nicht einmal mit dem
»Wendogermanischen«, wie der gute Fontane das landrätliche preußisch gerne hieß,
geschweige mit dem Weltdeutschtum Goethes, das schließlich doch, in allerhand
Verdünnung, heute noch den inneren Bodensatz des Durchschnittsdeutschen abgibt,
freilich von Bierbankpolitikasterei verschüttet. Das Unglück ist, daß man in den
deutschen Zeitungen (aller Parteien!) stets das Gegenteil der deutschen Meinung
liest und vom Deutschen selbst, sobald er politisiert, das Gegenteil seiner
eigenen Meinung hört: das hängt mit unserer besten Eigenschaft zusammen, mit
unserer wesentlichen Unfähigkeit zur Politik, durch die wir vielleicht, wenn wir
uns ermannen und die Kraft finden, aus unserer Not eine Tugend zu machen, noch
Europa vor der Politik retten werden (siehe Keyserling, dessen von Tag zu Tag
insgeheim wachsende geistige Macht über die Deutschen schon ein Zeichen der
Genesung ist). Aber da wir, sobald wir politisieren, in einer uns ungewohnten
Sprache reden, in der wir höchstens zur Not anderen nachsprechen, niemals aber uns
selber aussagen können, wie soll gar das Ausland uns verstehen? Es ahnt nicht, daß
das wahre Deutschland auch heute noch unausgesprochen bleibt, daß es noch immer
sein Schicksal ist, nur von ein paar Sonderlingen und Eigenbrödlern gestammelt zu
werden. Ja wir selber leben deshalb jeder in einer so furchtbaren Einsamkeit, weil
wir vor unseren eigensten Gedanken, eben jenen, durch die sich uns der deutsche
Geist kundgibt, im Tiefsten wie vor etwas eigentlich Unerlaubtem erschrecken. Es
gehört eine Art Verruchtheit dazu, damit ein Deutscher den Mut finde, nicht nach
der Gesinnungsvorschrift irgendeiner Partei zu politisieren, sondern aus dem
deutschen Herzen; es steht auch der Tod durch Verschweigen darauf, der zum
Beispiel eben jetzt wieder an dem tapferen Fritz Stück in Kassel exekutiert werden
soll. Seiner »Hessischen Freiheitsblätter« (Kassel-Niederzwehren, Monatsschrift)
großer Reiz ist es, daß da wieder einmal einer in den ungebrochenen Urlauten
seiner Stammesart politisiert, der deutsche Demokrat von 48 steht da wieder auf,
ein entpreußtes Deutschland will empor. Er schlägt wild um sich, denn nach allen
Seiten muß er sich wehren, um den »Weg zur stämmischen Gliederung« Deutschlands zu
bahnen. Im Grund ist’s auch nur wieder der ewige Kampf des Organischen gegen das
Mechanische! | |