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Im letzten Heft von »Kunst und Künstler« ein sehr merkwürdiger
Aufsatz R. Valentiners über »Amerikanische Privatsammlungen«. Danach sind diese
dummen reichen Amerikaner offenbar viel klüger, als wir denken. Sie haben nämlich
vor unseren »neuen Reichen« voraus, zu wissen, daß sie nichts wissen. Darum
erkundigen sie sich und lernen. Da ist zum Beispiel Altmann, aus der
Damenwarenkonfektion, dem ein Velasquez angeboten wird. Er hat keine Ahnung, wer
Velasquez ist, und läßt erst im Museum fragen, ob ein Maler dieses Namens denn
auch würdig sei, in die Sammlung des großen Konfektionärs aufgenommen zu werden.
Er fuhr solange im Museum derart zu fragen fort, bis am Ende seine Sammlung zwar
immer noch nur etwa vierzig Bilder enthielt, aber lauter Meisterwerke, darunter
acht Rembrandts, zwei Velasquez, drei Frans Hals, zwei van Dyck, drei Memling und
so weiter. Valentiner schreibt: »Urteilt man nach dem Resultat, nach der
Zusammensetzung der Sammlungen, so kann man nur sagen, daß Besseres erreicht
worden ist als in Europa, zieht man allein die guten Sammlungen in Betracht; denkt
man an die schlechten, so ist freilich auch das Groteske entsprechend gesteigert.
Man hat jedenfalls keinen Anlaß mehr, über die amerikanische Art des Sammelns zu
spotten; denn im ganzen ist man schnell über die Zeiten hinausgekommen, in denen
man aus einer kritiklosen Anfangsbegeisterung und Kauflust heraus wahllos Falsches
und Echtes durcheinander erwarb. Der Amerikaner lernt schnell und hat meist schon
umgelernt, wenn wir gerade anfangen, auf seine Fehler aufmerksam zu werden.« Und
ferner, was doch wirklich beschämend für uns ist: »Von den rund achtzig erhaltenen
Gemälden des Velasquez besitzt Amerika ein Dutzend, Deutschland nur zwei oder
drei; Greco, Zurbaran, Goya wurden in den Vereinigten Staaten viel früher
anerkannt als bei uns und sind dort mit bedeutenderen Werken vertreten.« Auch
bewirkt der Ehrgeiz dieser Snobs, für ihr Geld immer nur das Allerbeste, nur das
Allerfeinste, nur Primaware zu nehmen, Sammlungen, die den Kunstsinn viel reiner
erfreuen, als unsere mit gleichgültigen, nur den Gelehrten allenfalls
interessierenden Werken überfüllten, in denen antiquarischer Schund den Ausblick
aufs Schöne so oft verstellt. Unsere Hoffnung ist nur noch, daß wir ja jetzt
»neueste Reiche« haben, die vielleicht auch ganz ungebildet, hoffentlich
jedenfalls ungelehrt, und so dumm sind, nur das Teuerste zu kaufen. Merkwürdig
nämlich, von welcher Intelligenz die geheime, den Preis bestimmende Macht ist: auf
dem Weltmarkt kommt nach einiger Zeit doch schließlich immer die Wahrheit heraus,
man erfährt den Wert eines Künstlers noch am ehesten aus seinen Preisen (nicht des
Tages freilich, aber den säkularen), der Händler ist im Grund doch künstlerisch
zuverlässiger als der Gelehrte, besonders seit die besseren Gelehrten längst
selber Händler geworden. | |