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Je mehr man jetzt auf einmal für religiöse Kunst modisch zu
schwärmen beginnt, desto größer wird nur die Konfusion. Einen Künstler, der, er
sei Maler, Bildhauer oder Dichter, die von Personen oder Gegenständen des Glaubens
erregten oder mit frommen Bräuchen verbundenen Assoziationen für sich und seinen
eigenen Zweck ausnutzt, deshalb für religiös zu halten, ist ein Irrtum. Nicht die
Kunst, die sich, um zu wirken, des Glaubens und der Kirche bedient, ist religiös,
sondern die Kunst allein, die sich selber und alles, was sie hat und kann, dem
Glauben und der Kirche darbringt, die sich selbst aufgibt und hingibt, um dem
Glauben und der Kirche zu dienen. Nicht was einer malt, entscheidet da, sondern
welchen Sinns er malt. Will er noch sich und seine Kunst, ja will er auch nur im
Grunde doch eben bloß Kunst, so kann das ein herrliches, durch die Hilfe des
Glaubens und der Kirche gewaltig wirkendes Werk ergeben, nur niemals ein
religiöses. Religiös ist ein Bild, das nicht um der Kunst willen gemalt ist,
sondern zur Ehre Gottes; der Künstler mit seiner Kunst muß ganz darin verschwunden
sein. In diesem höchsten Sinne kann man sagen, daß Manets Spargel in der
grenzenlosen Hingebung und Aufopferung des von der Idee der Erscheinung
überwältigten, ja sich selbst für sie vernichtenden, sich und seine Kunst ihr
demütig ausliefernden Künstlers weit eher den Namen eines religiösen Werkes
verdient als manches Bild, das, mit Heiligenscheinen und allen sonstigen Emblemen
des Glaubens operierend, doch immer nur auf seinen eigenen Ruhm oder jedenfalls
bloß auf Wirkung spitzt. | |