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In der »Neuen Zürcher Zeitung« erzählt Alfred H. Fried, er habe
Lammasch für den nächsten Friedenspreis der Nobelstiftung vorgeschlagen (den nun
wohl Barbusse erhalten wird): »Lammasch, meint Fried, hätte nicht bloß diese
Ehrung verdient, sondern leider auch die damit verbundene materielle Gabe
notwendig gehabt, da er, wie so viele geistige Arbeiter der Mittelmächte, durch
den verbrecherischen Krieg in seinen alten Tagen zu einem unerhörten Daseinskampf
gezwungen war. Es ist dies eine bei allen durch das Elend dieser Zeit
aufgeworfenen Fragen noch zu wenig beachtete Tragik, die in das Schicksal unserer
geistigen Arbeiter eingreift. Mit einem Instinkt, der richtig erfaßt, daß es vor
allen Dingen die Zukunft zu retten gilt, hat sich der Ruf nach Hilfe und die
Erfüllung dieses Rufs in erster Linie den Kindern in den verheerten Ländern
zugewandt. Das ist unbestreitbar vernünftig und logisch gedacht. Leider aber hat
man dabei ein anderes Element unseres Lebens, das der geistigen Entwicklung,
vergessen, das für die Aufrichtung in der Zukunft ebenso notwendig ist wie die
Rettung der Kinder. Die Pioniere der Menschheitsförderung in ihren vom Lärm der
Welt abgeschlossenen Stuben gehen zugrunde. Direkt durch Hunger und Entbehrung;
indirekt durch Kränkung und Verzweiflung. Wo ist die Rettungsaktion für diese
Zukunftsbringer?« Sonderbarer Schwärmer! Er rührt damit an die schlimmste Gefahr
für den deutschen Geist. Daß es immerhin etwas wie Geist noch unter uns gibt,
verdanken wir jenen wunderlichen Stillen im Lande, die nicht um Lohn denken,
sondern von einer Art Dämon genötigt. Sie hatten es schon in der Monarchie nicht
leicht; gar den Schiebern aber, die jetzt herrschen, fehlt jedes Verständnis für
sie. Die Notwendigkeit solcher Sonderlinge läßt sich doch auch wirklich nicht
beweisen; es ist Gefühlssache, und um dieses Gefühl zu haben, muß man eigentlich
schon selbst einer von ihnen sein. Wie sollen sie sich da helfen? Die meisten
haben immer schon in solchen Einschränkungen gelebt, daß ihnen einzuschränken
nichts mehr übrig bleibt. Wollen sie streiken? Man würde sie ruhig streiken
lassen. Denn nach ihrer Arbeit ist kein Bedürfnis. Ja, der jetzt vorherrschenden
Menschenart kommt Arbeit, die sich nicht von selbst bezahlt macht, recht
unglaubwürdig vor. Nietzsche hat in mönchischen Entbehrungen gelebt. Was wäre
heute mit ihm? Wer hätte die Beredsamkeit, einem unserer Staatsgewaltigen die
Bedeutung Nietzsches, nämlich eines noch unverstorbenen, noch von keinem Georg
Brandes ausgerufenen Nietzsche darzutun? Wer mag jetzt für Josef Popper-Lynkeus
sorgen? Geschmackvolle Menschen werden sich damit helfen, daß sie solche Fragen
überhaupt unzart und taktlos finden. Und wer zählt denn nach, wie viele Denker man
aus lauter Takt verhungern läßt? Aber vielleicht kann auch da die von Keyserling
geplante Schule der Weisheit helfen, indem sie derlei nichts als Geist
besitzenden, also jetzt ganz unbrauchbaren Leuten Unterkunft und irgendeine
Möglichkeit sich ihr Brot zu verdienen gewährt. Den Regierungen ist das nicht
zuzumuten: denn der Geistige »leistet« ja nichts. | |