Tagebuch. 14. November

Hermann Bahr: Tagebuch. 14. November. In: Neues Wiener Journal, Jg. 37, Nr. 12942, 1.12.1929, S. 22.

Verfasser:in Bahr, Hermann
Titel Tagebuch. 14. November
Periodikum Neues Wiener Journal
Erschienen
  • 1.12.1929
  • Jahrgang 37
  • Nummer 12942
  • Seite 22
Volltext Auch wir Österreicher warten mit Ehren für einen Dichter, bis er stirbt, aber in Deutschland muß er gar erst jahrelang begraben liegen, bis er des Nachruhms gewürdigt wird. Als wir Hofmannsthal verloren, erinnerten wir uns sogleich der Bedeutung dieses Verlustes, Deutschland aber scheint heute schon vergessen zu haben, wen es an Arno Holz besaß. Er war es, der in den Anfängen der achtziger Jahre den Auftakt zur neuen Besinnung gab. Mit ihm fährt ein neuer Geist in die deutsche Dichtung, er weht aus Nordost. Arno Holz war es, der zuerst die Bedeutung Gerhart Hauptmanns erkannte, der den schüchternen Schlesier ermutigte, der ihm den Weg in die Zukunft hieß. Und Arno Holz war es auch wieder, der unseren zunächst eher zaghaften Freund S. Fischer zur «Freien Bühne” ermutigte, aus der allmählich die «Neue Rundschau” wuchs. Arno Holz war immer voran, Kraft ausstrahlen, sich verschwendend, zum Beginner geboren, gleichgültig, was von seinem Samen aufging, er streute indessen schon wieder neue Saat aus. Die Nachwelt, stets gerechter als die Mitwelt, wird erkennen, daß, wie das Zeitalter Goethes sich ohne Herder, das unsere sich ohne Arno Holz nicht denken läßt. |
Zusammenfassung Bahr wirft den Zeitgenossen vor, Arno Holz vergessen zu haben, dessen Bedeutung von der Nachwelt erkannt werden würde.
Link TEXT
Schlagwörter Artikel in einem Periodikum, Tagebuch